Ausgangspunkt für eine Wanderung bei Vollmondschein war Burdorf, Ziel die «Lueg». Dazwischen ein Weg, der grossartige Eindrücke und weite Ausblicke bot.
Der Himmel ist schwarz, Blitz und Donner wechseln sich ab und Regen peitscht auf die Strasse. Nicht gerade das ideale Wetter für eine Vollmondwanderung. Wir vergessen ganz bewusst den Schirm im Hotelzimmer und nehmen stattdessen einen Sonnenhut mit. Unser Optimismus wird belohnt und eine halbe Stunde später, als uns Wanderleiterin Claudia Bischof beim Bahnhof Burgdorf begrüsst, setzt sich die Sonne bereits gegen die Wolken durch und der Himmel wird zusehends blauer.
«Wir fahren zuerst ein paar Stationen mit dem Zug. Auf Gleis 4 wartet er bereits.», erklärt uns Claudia Bischof. Wir, das sind Daniela, Nadia und Andrea, drei Gäste von seinundwerden, die sich für eine Vollmondwanderung angemeldet haben. In Oberburg marschieren wir gemütlich los. Unser Weg führt vorbei an wunderschönen, stattlichen Bauernhäusern und vorwitzigen Geissen.
Ausblicke in die Emmentaler Landschaft
Schon bald geniessen wir eine beeindruckende Aussicht auf die Emmentaler Hügellandschaft und die schneebedeckten Alpen, die von der untergehenden Sonne regelrecht in Szene gesetzt werden. Das Abendlicht wirft lange Schatten und lässt die Umgebung in warmen Farben erstrahlen. Die noch regennasse Wiese mit dem bereits verwelkten Löwenzahn bildet einen schönen Vordergrund.
«Für solche Momente in der Natur möchte ich meine Gäste sensibilisieren. Sie sollen für einige Stunden den Horizont des Computerbildschirms mit demjenigen des Wolkenhimmels tauschen und einen Abstand zum anspruchsvollen Arbeitsalltag finden. Abstand nehmen an der frischen Luft, tief durchatmen und Pause machen,» so Claudia Bischof mit einem entspannten Lächeln auf dem Gesicht.
Eine Picknick-Pause geniessen wir, während sich die Sonne glühendrot am Abendhimmel verabschiedet. Die Vögel haben ihr Singkonzert beendet und auch wir schwatzen immer weniger und lauschen der Stille der einbrechenden Nacht. Das langsam schwindende Licht lässt die Landschaft immer monochromer erscheinen und unsere visuelle Wahrnehmung wird mit jedem Schritt eingeschränkter. Dafür kommen andere Sinne zum Zug und wir nehmen die Düfte der Vegetation und die Geräusche des stockdunkeln Waldes plötzlich viel intensiver wahr.
Gestalten in der Nacht
Es sind nicht mehr viele Menschen unterwegs und alleine wäre es in dieser Finsternis schon fast etwas unheimlich. Doch nicht für uns, denn Claudia Bischof kennt dieses Gebiet wie ihre eigene Hosentasche. Sie ist oft in dieser Region unterwegs, kennt die Namen der kleinen, verstreuten Ortschaften und schätzt die Unberührtheit der Landschaft und die Herzlichkeit der Menschen sehr.
Als ein Lichtkegel eines Autos für einen kurzen Moment die Dunkelheit unterbricht, denken wir im ersten Augenblick an den aufziehenden Mond, doch wir müssen uns noch etwas gedulden. «Luna» versteckt sich hinter ein paar Wolken und unsere nächste Begegnung gilt nicht der runden Scheibe am Himmel, sondern einer entgegenkommenden Reiterin im Wald und einem Reh, das über den Weg springt. Auch gut, so bleibt uns Zeit für einen Schluck Tee aus der Thermosflasche und während wir ein Stück Kuchen geniessen, das uns Daniela offeriert, versuchen wir die Sternbilder am Himmel zu erkennen. Wir wissen zwar vom grossen Bär und kleinen Wagen, können diese Namen aber keiner Konstellation zuordnen.
Dann endlich ist es soweit, die letzten Wolken verziehen sich, der Mond leuchtet intensiv und hüllt die Szenerie in ein silbriges, kühles Licht. Die Natur bietet uns ein grossartiges Schauspiel und wir geniessen das mystische Geschehen, das sich Monat für Monat während nur einer Nacht zeigt. Wir sind uns einig: Wandern im Dunkeln mit dem Mond als Wegbegleiter ist ein stimmungsvolles Erlebnis und wir haben Lust auf ein nächstes Mal…
Text: Andrea Knechtle